Proteste der DDR-Bevölkerung im Jahre 1968
von Bernd Gehrke, 9. Dezember 2012
Gemessen am Jahr des Juni-Aufstands von 1953 oder dem der Biermann-Ausbürgerung 1976 war 1968 ein unscheinbares Jahr der DDR-Geschichte. Eine Revolte fand nicht statt. Der folgende Aufsatz lässt sich dennoch davon leiten, dass die Revolte eine unverzichtbare Achse einer DDR-Analyse zum Themenfeld „1968“ bildet. Denn das Jahr 1968 ist vor allem deshalb in die Geschichte eingegangen, weil es das Jahr der ersten globalen Revolte war, über Systemgrenzen hinweg. Insofern dürfen sich Fragestellungen nach vergleichbaren Entwicklungen gegenüber anderen Staaten und Gesellschaften nicht mit der Darstellung allgemeiner Entwicklungsprozesse oder Problemlagen begnügen. Vielmehr ist der Verbleib der Revolte zu erkunden, ihr soziokulturelles und politisches Potenzial und die Gründe ihres Ausbleibens. Die Ausblendung dieser Dimension etwa in den mentalen Dispositionen und der politischen Funktion kann zu so bizarren Verwechselungen führen, wie sie Dietrich Mühlberg unterlaufen sind, als er die jungen Technokraten Ulbrichts aus den 1960er Jahren mit den Attributen der „68er“ in der DDR ausstattete.[1] Ebenso gut könnte man die Technokraten des Opus Dei, die seit dem Ende der 1950er Jahre einen enormen Modernisierungsschub der franquistischen Diktatur und der spanischen Gesellschaft bewirkt hatten, zu spanischen „68ern“ machen. Oder Kurt Biedenkopf. Vor allem jedoch führt die Ausblendung dieser Dimension zu einer Ignoranz gegenüber den tatsächlich existierenden Spuren der Revolte, die es auch in der DDR gab und die seit Jahren in hinreichender Breite publiziert wurden.[2] Immerhin war 1968 nicht nur ein Jahr der ausgefallenen Revolte in der DDR. Es war auch ein Jahr außerordentlicher Proteste gegen das Ulbricht-Regime, ein Jahr von Protesten, die häufig genug gerade von jenen Idealen inspiriert waren, die auch die Revolten der westlichen Jugend antrieben. Nur wenig davon ist einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Diese Proteste sind es wert, im kulturellen Gedächtnis jeder emanzipatorischen Bewegung aufbewahrt zu werden, die sich heute und morgen gegen staatliche Bedrohungen von Bürger- und Menschenrechten wehrt.
- Vorpolitische Opposition und Politisierung
Wegen der Dichte diktatorischer Überwachung erfolgten die 68er-Proteste in der DDR isoliert voneinander und nur wenige von ihnen wurden bekannt. So sind sie nicht ins kulturelle Gedächtnis gedrungen und können auch deshalb bis heute oft ignoriert werden. Die SED-Diktatur besaß im Gegensatz zu den 1980er Jahren angesichts eines fehlenden oppositionellen Netzwerkes sowie abwesender westlicher Journalisten und Diplomaten noch ein fast vollständiges Informationsmonopol. 1968 – das war nur sieben Jahre, nachdem das Ulbricht-Regime die DDR-Bevölkerung eingemauert und jedes Anzeichen von Widerstand dagegen mit der gewalttätigen Abschreckungskampagne „Die Faust aufs Schandmaul!“ unterdrückt hatte.[3] Im Gedächtnis der breiten Mehrheit waren diese Vorgänge fest verankert. Seither war allerdings eine „unruhevolle Jugend“ (Marc-Dietrich Ohse) herangewachsen. Der Schrecken, der vielen Erwachsenen in den Gliedern saß, war bei ihr nicht vorhanden. Eigene politische Erfahrungen musste sie erst sammeln und eine widersprüchliche Jugend- und Kulturpolitik der SED zwischen Zugeständnissen und Abschreckung ermutigte sie zu trotzigem Dagegenhalten. Zudem wirkte die Aufbruchsdynamik westlich wie östlich der Grenzen ansteckend. So klagte die SED-Spitze immer wieder über fehlende ideologische Festigkeit und unkritische Distanz der Jugend gegenüber dem Westen, über fehlende Integrationswilligkeit, fehlende Disziplin, zuviel Unmoral und Asozialität. Insbesondere die so genannten Eckensteher und Rowdys galten in den 1960er Jahren als integrationsunwillig. Nach dem Mauerbau hatte die SED Arbeitslager für sie eingerichtet.[4] Doch einer der wesentlichen Widersprüche, den die SED seither nie in den Griff bekommen sollte, trat nach dem Mauerbau, als es die Ausrede mit der offenen Grenze nicht mehr gab besonders deutlich hervor: Die Kluft zwischen den in ihren Bildungseinrichtungen sozialisierend wirkenden idealischen Leitvorstellungen und der anschließend erfahrenen, häufig katastrophalen Situation im Arbeitsleben. Eine wichtige Folge war die extrem hohe Fluktuationsrate von Jungarbeitern und Jungarbeiterinnen Anfang der 1960er Jahre.[5] Insofern empfand diese Jugend die Kluft zwischen den offiziellen Phrasen und der gegenteiligen Realität des Alltags als besonders provokant.
Vor diesem Hintergrund zeitigte die wechselvolle Jugendpolitik der SED eine für das Regime verheerende Wirkung. Nach der Abschreckungskampagne im Zusammenhang mit dem Mauerbau trat seit 1963 mit der Verkündung des Jugendkommunique’s der SED eine neue, auf Gewinnung der Jugend orientierte wesentliche Veränderung der Jugendpolitik ein. Eine wichtige Folge war, dass die zu diesem Zeitpunkt aus Westdeutschland via Medien in die DDR überschwappende Woge der Beatlemania auf die integrative Jugendpolitik stieß, sich deshalb rasch ausbreiten konnte und allenthalben neue Szenen dieser jugendlichen Populärkultur entstanden.[6] Doch gerade während sich diese zwar ungeliebte, aber als jugendspezifisch tolerierte Teilkultur auch in offiziellen Strukturen zu etablieren begann, wurde die Jugendpolitik zum Vehikel der innerparteilichen Gegner des technokratischen Modernisierungsprogramms Walter Ulbrichts, in dessen Mittelpunkt ein Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung stand. Jugendkrawalle bei Beatveranstaltungen boten den Hebel, mit dem unter Führung Erich Honeckers die Jugendpolitik Ulbrichts gekippt und eine Verschärfung der Politik gegenüber der kritischen Intelligenz durchgesetzt wurde. Beides gerann im Dezember 1965 auf dem 11. Plenum des ZK zur offiziellen Politik der SED.[7] Doch bereits seit September 1965 war in der Jugendpolitik das Steuer faktisch herumgerissen worden. Beatgruppen wurden verboten, Gammler in den Tagebau verfrachtet, Langhaarigen die Haare gewaltsam geschnitten und Deutschtümelei zum Programm erhoben. Als „Beataufstand“ bezeichnet, hatten darauf hin Hunderte Jugendliche gegen das Verbot der Beatgruppen demonstriert, am 7. Oktober 1965 in Ostberlin und am 31. Oktober in Leipzig.[8] Schnellgerichte und Tagebau waren wieder die Folge. Wo die Haare nicht selbst gekürzt wurden, drohte nun die politisch aufgeladene Relegation von der Schule und die Exmatrikulation von der Universität. Allerdings war vor der Konfrontation mit dem Staat die Beatkultur, vor allem wo sie über Musik und Tanz hinaus ging und sich in immer länger werdenden Haaren, auffälligen Dress-Codes oder den Gesellungsorten kenntlich machte, noch vorrangig eine Angelegenheit der Arbeiterjugend. Parallel zu dieser Konfrontation mit relevanten Teilen der Jugend erfolgte durch das Verbot wichtiger Kunstwerke und die Zensur kritischer Schriftsteller jedoch zeitgleich eine massive Konfrontation mit der kritischen Intelligenz.
Mit seinen Unterdrückungsversuchen erreichte der Staat das Gegenteil seiner Intensionen. Aus einer zuvor hingenommenen oder akzeptierten jugendlichen Teilkultur wurde nun eine bedrängte Subkultur. Gerade ihre staatliche Bedrängung machte sie zum habituellen Distinktionsmerkmal für alle nonkonformen Jugendlichen, auch jenen aus der gemaßregelten Intelligenz. Damit aber wurde eine Milieubildung außerhalb des staatlich kontrollierten sozialen Raumes befördert, insofern sie auf Strassen, in Gaststätten oder Privaträumen separierte Gesellungsorte erzeugte, in denen die eigenen Symbole und Rituale der Beatkultur nunmehr mit Gegen-Sinn aufgeladen wurden.[9] So zeigten sich trotz aller rabiaten Abschreckungsmassnahmen auch 1966 bis 1968 langhaarige Jugend-Cliquen in den Strassen. Zu ihnen gehörten nunmehr auch Teile der jugendlichen Intelligenz, Kinder aus Parteielternhäusern wie aus christlichen.[10] Die Konfrontationen zwischen den Gruppierungen der jugendlichen Subkultur und der Polizei setzte sich fort. Doch über diesen jugendkulturellen Konflikt hinaus hatten sich seit 1967 Indizien für oppositionelle Politisierungsprozesse gezeigt, die ihm eine neue Dimension hinzufügten und ihn verstetigten. Sowohl die „Kinder der Bürokratie“ (Klaus Wolfram) als auch Teile der jungen Christinnen und Christen rezipierten die eingeschmuggelte Herrschaftskritik der revoltierenden Jugend Westdeutschlands. Und sie adaptierten Symbole der westdeutschen außerparlamentarischen Opposition, die vom Anti-Atom-Abzeichen bis zu Symbolen Chinas reichten, da sie und zumal sie von Seiten der Jugend jetzt absichtsvoll zu neuen politischen Konflikten in Ausbildungsstätten und Jugendklubs führten. Angesichts der aggressiv-feindlichen Töne der chinesischen KP-Führung gegenüber dem „sowjetischen Sozialimperialismus“ und seinen „Vasallen in der SED-Führung“ verstand sich der oppositionelle Charakter chinesischer Symbole von selbst. Doch auch das Symbol der westlichen Anti-Atom-Bewegung, die in der DDR-Presse offiziell gefeiert wurde, blinzelte in der DDR auch ohne Worte gleichsam automatisch in Richtung sowjetischer Atomwaffen. A0llerdings verbanden die Trägerinnen und Träger solcher Symbolik sie nur allzu oft auch mit der Ablehnung der vormilitärischen Ausbildung oder sie verweigerten als – zumeist christlich motivierte – Bausoldaten gleich ganz den „Dienst an der Waffe“. Ein wichtiger Hinweiß auf eine sich in Teilen der Jugend nun auch politisch orientierende Suche nach eigenständigen Antworten jenseits der Vorgaben des Regimes war die Notwendigkeit für die SED, zum 1. Januar 1968 für DDR-Bürger den freien Zugang zur chinesischen Botschaft zu sperren. 1966 und besonders 1967 hatte unter dem Einfluss der westdeutschen Studentenbewegung trotz der Polizeibewachung der Botschaft und des immer gegenwärtigen Risikos einer Registrierung, Fotografierung oder Verhaftung beim Betreten des Botschaftsgebäudes ein Besucherstrom zur Botschaft eingesetzt. Man ließ sich mit Mao-Abzeichen sowie maoistischen Reden und Originalliteratur ausstatten, die die chinesische Kulturrevolution lobten und die Sowjets und ihrer Vasallen anklagten. Das MfS registrierte als DDR-Besucher vornehmlich „Beat-Anhänger“. Zudem dominierten nicht etwa nur Oberschüler und Studierende den Besucherstrom. Im Bezirk Potsdam bildeten Lehrlinge und Jungarbeiter sogar die Mehrzahl.[11] Der oppositionelle Politisisierungsprozess innerhalb der jugendlichen Subkultur beschränkte sich also nicht nur auf die junge Intelligenz. Eine seinerzeit politisch hoch provokante Losung, die während der SED-Parteiwahlen am 19. Mai 1967 von Unbekannten im Leipziger Kirow-Werk aufgehängt wurde, weist in die gleiche Richtung: „Wir sind jung und lieben Mao Tse-Tung.“[12] Unterstützt von der in dieser Zeit parallel verlaufenden linken Politisierung solcher Popidole wie Jimi Hendrix oder John Lennon war es kein Wunder, dass unter Oberschülern und Studierenden, aber auch unter sich oppositionell politisierenden Lehrlingen seit 1967 und besonders im Frühjahr 1968 Diskussionen über die seit dem Vorjahr eskalierte Jugendrevolte im Westen stattfanden und der Aufstand der Studierenden in Warschau vom März und die in Westberlin, Paris oder in den USA aufmerksam in den Medien verfolgt wurden. Gleiches galt für den Streit innerhalb der kommunistischen Parteien und für die Auseinandersetzungen mit den demokratischen Strömungen innerhalb der kommunistischen Bewegung. Mehr und mehr rückten jedoch die Veränderung in der ČSSR, und seit der Wahl Alexander Dubčeks zum KP-Chef, der Prager Frühling in den Vordergrund des Interesses und führte zwecks Selbstverständigung über diese Entwicklung zur Bildung informeller politischer Diskussionskreise.[13]
Proteste gegen Kirchenabrisse
Doch bereits vor den Protesten gegen die militärische Intervention in der ČSSR hatte es 1968 zum Teil spektakuläre Akte des Widerstandes gegen die SED-Politik gegeben, insbesondere gegen die Sprengung der Universitätskirche in Leipzig.[14] Der im SED-Politbüro gefasste Beschluss zur Modernisierung des Stadtzentrums sah die Errichtung eines Universitäts-Wolkenkratzers und weiterer Universitätsgebäude im Zentrum der Stadt vor, in einer Weise, die die Sprengung der Kirche einschloss. Am 23. Mai wurde das Konzept von der Leipziger Stadtverordnetenversammlung formal abgesegnet und das Datum der Sprengung am 30. Mai veröffentlicht. Nun begannen neben den bisherigen amtskirchlichen Einsprüchen auch öffentliche Proteste. Dieser Widerstand war um so bemerkenswerter, als in der öffentlichen Sprache der Machthabenden die Sprengung der Kirche beschwiegen, Widerstand gegen sie jedoch bereits am 24. Mai in den Kontext „restaurativer Kräfte in der ČSSR“ gestellt und die „Anwendung aller gesetzlichen Mittel“ gegen ihn angedroht wurde.
Im Mittelpunkt der Proteste stand der Widerstand gegen eine „kulturelle Schandtat“, weshalb sich nicht nur Christen empörten. Die Theologische Fakultät der Karl-Marx-Universität sammelte unter Leitung des Dekans Unterschriften gegen den Abriss, im Hauptpostamt und auf einer Geschäftsstrasse tauchten Flugblätter auf, die die Leipziger gegen die „Kulturschande“ zum Protest beim Oberbürgermeister aufriefen, an der berühmten Thomaskirche wurde von dem Studierenden Stefan Welzk ein Plakat befestigt „Auch sprengen“. Trotz der weiträumigen Absperrung des Gebietes um die Kirche und breitem Einsatz von Parteiagitatoren, Polizei und Stasi sowie des Verbotes zum Stehenbleiben fanden sich jeden Tag Hunderte von Menschen ein, insgesamt über 1000, die im stummen Protest verharrten. Blumen oder kleine Zettel wurden als Abschiedsgrüsse über die Absperrung geworfen. Wenn die Menschentrauben an den Absperrgittern zu groß wurden und sich nicht vertreiben ließen verfrachtete die Polizei sie auf Mannschaftswagen, wobei aus dem stummen ein lauter Protest wurde. 40 Personen wurden bei den Protesten verhaftet, verhört und zum Teil in Schnellverfahren verurteilt.
An den Protesten beteiligten sich Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedener sozialer Gruppen, Arbeiter und Angestellte aus der Leipziger Bevölkerung, natürlich kamen auch Schaulustige. Jedoch spielten die Studierenden eine besonders wichtige Rolle, darunter namentlich Angehörige der Theologischen Fakultät – trotz massiver Drohungen der Universitätsleitung mit der Exmatrikulation, die einer Drohung mit einem Studienverbot in der ganzen DDR gleichkam.
Der spektakulärste Akt des Protestes kam jedoch von einer Gruppe von sechs Physik-Studenten nach der Sprengung. Am 20. Juni 1968 war es Stefan Welzk, Harald und Günter Fritzsch, Eckhard und Dietrich Koch sowie Rudolf Treumann mit Hilfe eines Zeitmechanismus’ anonym gelungen, während der Siegerehrung zum III. Internationalen Bachwettbewerb in der Leipziger Kongresshalle auf der Bühne ein großes Transparent vom Schnürboden herab zu entrollen. Vor den Umrissen der Paulinerkirche stand die Losung: „Wir fordern Wiederaufbau!“. Diese Aktion fand im Beisein von zu Eis erstarrten hohen Würdenträgern der SED und des Staates sowie der internationalen Presse statt.
Alle bisher bekannten Personen und Fakten sprechen recht eindeutig dafür, dass diese Proteste vorwiegend eine Angelegenheit der Intelligenz, zumal der jungen Intelligenz waren. Gerade die jungen Theologen waren wie ihre westdeutschen Kommilitonen am Ende der 60er Jahre von den Ideen des Linksprotestantismus und Linkskatholizismus, von der Frankfurter Schule wie des Neomarxismus und des Prager Frühlings angesteckt.[15] Und die Gruppe, die den Protest während des Internationalen Bachwettbewerbes organisiert hatte, gehörte zu einem größeren Diskussionskreis von Studierenden, der über die Ideen des Prager Frühlings debattierte, Hauptakteure wie Welzk waren nicht einmal Christen. Der historische Charakter dieser Leipziger Proteste muss zudem auch vor dem Hintergrund der von den Amsterdamer Provos angestossenen europäischen Protestbewegung gegen die fordistische Beton-Sanierung der Großstädte gesehen werden.
Proteste gegen den Einmarsch in die ČSSR zur Unterdrückung des Prager Frühlings
Durch die kulturellen Öffnungsprozesse seit der Kafka-Konferenz in Liblice 1963 wurde die ČSSR in den 1960er Jahren bei der Jugend und der kritischen Intelligenz außerordentlich beliebt. Dem entsprechend stieß die Wahl Alexander Dubčeks zum KP-Chef auf starke Sympathien der kritischen Jugend und Intelligenz in der DDR. Deutlicher Beleg für ihr großes Interesse war die Reisewelle in die ČSSR, die allein im Juli 1968 80.000 – 90.000 DDR-Bürger dort sah, welche sich zum Leidwesen des MfS vor Ort mit Argumenten des demokratischen Sozialismus ausstatten ließen.[16] Insbesondere die junge Intelligenz wünschte nicht nur einen Erfolg der tschechoslowakischen Reformpolitik, sondern hegte auch Hoffnungen auf ähnliche Entwicklungen in der DDR. Die große Mehrzahl der Bevölkerung, vor allem die Arbeiterschaft blieb skeptisch. Reden von KP-Führern über Demokratie hatte sie zu oft gehört, als dass sie noch hinhörte, wenn diese eine neue Politik verkündeten. Außerdem betrafen die meisten Angelegenheiten, die mit dem Prager Frühling zusammen hingen zunächst vor allem die Intelligenz. Je mehr allerdings dort ein wirklicher Demokratisierungsschub sichtbar wurde und mit ihm auch Fragen der Wirtschaftsreformen, die zu wirklich unabhängigen Gewerkschaften und zur Arbeiterselbstverwaltung der Betriebe führen sollten, auf die Tagesordnung rückten, erfasste die Sympathie mit der Entwicklung in der ČSSR auch die Arbeiterschaft. Die Sympathie wuchs umso mehr, je aggressiver die Angriffe von SED und KPdSU auf die Prager Politik und den Demokratisierungsprozess zu vernehmen waren. In der DDR war 1968 jedoch die Erinnerung an die sowjetischen Panzer vom 17. Juni 1953 und vom Ungarn-Aufstand 1956 stets gegenwärtig. Und so blieb trotz Sympathien auch die Skepsis gegenüber den Erfolgschancen eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ in der Tschechoslowakei. Das änderte freilich nichts an der Empörung, als der Einmarsch dann kam.
Noch am 21. August 1968 begann eine ganze Welle von Protesten, die ihren Höhepunkt in den ersten Tagen und Wochen nach dem Einmarsch hatte, um dann wieder abzuflauen. Anfang Oktober 1968 hatte das MfS in einer ersten Analyse 2.129 „Protestbekundungen“ festgehalten, 1.360 wurden zu den „wesentlichen Vorkommnissen“ gezählt. Als wichtigste Deliktgruppen „feindlicher Handlungen“ wurden das „Anschmieren“ von 1.690 „Hetzlosungen“ und die „Verbreitung selbstgefertigter Hetzschriften“ in einer Anzahl von 7.587 Stück aufgeführt. Mit den „bei der Festnahme sichergestellten Hetzschriften“ waren das insgesamt 10.487 Stück. Die Zahl dieser Flugblätter ist erstaunlich, konnten sie doch im wesentlichen nur mit primitivsten Mitteln wie Kinderstempelkästen und Schreibmaschinekopien hergestellt werden, da alle Vervielfältigungsmittel staatlich monopolisiert und streng bewacht wurden. Neben 294 Fällen von „anonymer Hetze“ wurden auch 74 „organisierte Sympathiekundgebungen“, also öffentliche Demonstrationen und Kundgebungen gezählt.[17] Im Gefolge der Proteste wurden in der Zeit zwischen dem 21. August und dem 30. November 1968 gegen insgesamt 1290 Personen von unterschiedlich zuständigen Behörden Ermittlungsverfahren eingeleitet.[18]
Angesichts der politischen und militärischen Situation, bei der eine unmittelbar-praktische Aussichtslosigkeit von Widerstand im Sinne eines Rückzuges der Truppen absehbar war, ist nicht das Ausbleiben einer Revolte, sondern die Vielzahl der Proteste erstaunlich. In einer abschließenden Einschätzung durch das MfS wurde das Ausbleiben einer Revolte und die Stabilität des Regimes sehr wohl konstatiert, da die Proteste im Prinzip nicht das Niveau von kleinen Gruppen und Einzelpersonen überschritten. Allerdings wurde vom MfS zugleich eingeschätzt, dass sie sowohl bezüglich ihres Umfangs wie ihrer „Gesellschaftsgefährlichkeit“ die Proteste gegen den Mauerbau übertrafen.[19] Ihre öffentliche Wirksamkeit war fast immer sehr gering, da die SED Flugblätter sofort einsammelte oder Losungen an Gebäuden usw. sofort überpinselte. Eine Ausnahme bildeten Demonstrationen, wie die von Erfurt. Hier versammelten sich am Tage nach dem Einmarsch auf dem Erfurter Angereck 150 bis 250 Jugendliche, die versuchten mit Passanten über den Einmarsch zu diskutieren. 36 Jugendliche wurden verhaftet.[20] In Gotha, Erfurt, Weimar, Potsdam, Berlin und anderen Städten kam es ebenfalls zu Demonstrationenversuchen.[21]
Die Gestalt der Proteste war sehr unterschiedlich. Das Gros lag außerhalb der Betriebe. Häufig wurden sie konspirativ vorgenommen, insbesondere, wenn es sich um schriftliche Äußerungen handelte. Flugblätter, die oft in Briefkästen, aber auch in öffentliche Verkehrsmittel geworfen wurden, waren hauptsächlich eine Angelegenheit der Intelligenz. Aber auch Arbeiter verbreiteten Losungen, wie im Bereich der Leipziger Kleinmesse, wo ein „Transportarbeiter“ dabei festgenommen wurde. Losungen wie „Dubček“ und „Svoboda“ oder die Fahne der ČSSR wurden auf Strassen und Wände gemalt. In verschiedenen Bezirken sind ohne Wissen von einander durch unterschiedliche Personen sogar die Nachrichtenkabel zwischen der NVA und den in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräften durchgetrennt worden.[22] Cliquen der Arbeiterjugend beschimpften wie in Leipzig-Taucha oder Torgau vorbeifahrende sowjetische Truppen oder auch Polizisten und Staatsbedienstete offen und provozierend. [23] Ebenso demonstrativ offen waren symbolische Handlungen wie das Anstecken der ČSSR-Fahne ans Revers. Außerdem wurden Protestunterschriften gesammelt und zur ČSSR-Botschaft in Ostberlin gebracht, ungezählte Menschen trugen sich dort in bereit liegende Protest-Listen ein.
In Betrieben wurde ebenfalls protestiert. Doch sprechen alle Anzeichen dafür, dass wegen der viel größeren Überwachungs- und Kontrolldichte das Ausmaß dieser Proteste sehr viel geringer war, als in der Anonymität außerhalb dieser staatlich durchherrschten Institutionen. Arbeitskollegen brachten ihre Proteste deshalb z. T. nachts außerhalb ihrer Betriebe an. Innerhalb der Betriebe war der Protest vorwiegend mit jenen betrieblichen Versammlungen verzahnt, die von Vertretern des Regimes einberufen wurden, um den Belegschaften sogenannte Zustimmungserklärungen abzupressen. Deshalb hatte der innerbetriebliche Protest überwiegend mündlichen Charakter. 17 von 23 Kollegen der technischen Gebäudeausrüstung in Wanzleben hatten sich etwa geweigert, eine vorgelegte Zustimmungserklärung zum Einmarsch zu unterschreiben und erklärt, dass sie dies nur tun würden, wenn die Erklärung „für die ČSSR und gegen die Russen“ gerichtet wäre.[24] In anderen Betrieben wurde von den Facharbeitern die Intervention mit jener der Nazi-Wehrmacht von 1938 verglichen.[25] Im gleichen Geist stand an den Waggons, die morgens aus dem Karl-Marx-Werk in Magdeburg gezogen wurden die Losung „Kommunistenschweine, Faschistenpack“, die zusätzlich mit Hakenkreuzen und SS-Runen verziert worden war.[26] Doch sind schriftliche Losungen aus Betrieben kaum vorhanden. Der bisher einzig bekannte Streikversuch ist aus dem VEB Rewatex in Ostberlin überliefert. Ein Kesselwärter hatte noch am Abend des 21. August 1968 die Dampfzufuhr für einen Betriebsteil abgestellt und versucht, „weitere Beschäftigte des Betriebes zu einer Arbeitsniederlegung zu veranlassen“.[27] Er wurde festgenommen, so, wie andere „Provokateure“.
Über den politischen Inhalt der Forderungen gab das MfS einen guten Überblick, es belegte: „Aufwiegelung“ gegen die Intervention und Versuche zu einer Kampagne für deren Rückgängigmachung; „Propagierung und Verherrlichung“ der demokratisch-sozialistischen Veränderungen in der ČSSR und der sie fördernden und begünstigenden Politiker in der KPČ „als Beispiel zu erstrebender Veränderungen in der DDR.“ „Hetze“ gegen die SED-Führung und besonders gegen Ulbricht; „Aufwiegelung“ gegen die Politik der Sowjetunion sowie Forderungen nach Abzug der sowjetischen Truppen aus der ČSSR und der DDR. Aber auch die „Anspornung weiterer Kreise der Bevölkerung zu feindlichen Aktionen“ und die Solidarisierung mit den demokratisch-sozialistischen „Kräften“ in der ČSSR führte das MfS auf. Hervorgehoben wurde, dass neben „schlagwortartigen Feindparolen“ wie „Russen raus“ auch „in relativ breitem Umfang“ Losungen und Forderungen verbreitet waren, die die demokratisch-sozialistischen Aktivitäten in der ČSSR „als Verteidigung des Sozialismus dargestellt“ hätten, weshalb „die Maßnahmen der fünf“ Interventionsstaaten „als gegen die Sache des Sozialismus gerichtet oder als völkerrechtswidrige Aktionen wie Okkupation, Intervention oder Aggression bezeichnet“ wurden. Hinzu kamen wiederholt „Vergleiche mit dem Vorgehen der Faschisten nach dem Münchner Diktat bzw. der amerikanischen Aggression in Vietnam“.[28]
Einer der wenigen Proteste, die 1968 bekannt wurden, war die Flugblattaktion von Erika Berthold, Rosita Hunzinger, Sandra Weigl, Thomas Brasch, Hans-Joachim Utzkoreit, Florian und Frank Havemann sowie Bettina Wegener. Sie hatten gegen die Unterdrückung des „roten Prags“ Flugblätter verfasst und vor allem deshalb Aufmerksamkeit hervorgerufen, weil sie Kinder hoher SED-Funktionäre, von Künstlern oder des bekanntesten DDR-Oppositionellen waren. So wichtig ihre Aktion besonders auch deshalb war, weil sie den Protest in der DDR international sichtbar gemacht hat, so sehr hat dieser Umstand bis heute das Bild der Proteste in der Öffentlichkeit verzerrt. An ihnen waren zwar verschiedene soziale Schichten beteiligt. Doch das Gros der Aktionen ging auf die Arbeiterjugend zurück, auf Lehrlinge und Jungarbeiter, trotz der starken Sympathien der Intelligenz für den Prager Frühling. Die soziale Zusammensetzung der aufgrund von Protesten Verhafteten gibt darüber eine eindeutige Auskunft. Nach verschiedenen Angaben unterschiedlicher Sicherheitsbehörden ist es eindeutig, dass rund drei Viertel von ihnen der Arbeiterschaft zuzurechnen waren. Unter den 506 Personen etwa, gegen die in der Zeit vom 21. August und dem 27. November 1968 vom MfS ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde betrug der Anteil von Facharbeitern, sonstigen Arbeitern und Lehrlingen zusammen 71,7%. [29] Innerhalb der ausgewiesenen Zahl der Arbeiterschaft waren die Facharbeiter mit 189 Personen die größte Gruppe, gefolgt von 101 sonstigen Arbeitern und 73 Lehrlingen. 4,6% der Täter entstammten dem Kreis der Kulturschaffenden und der Intelligenz. Entscheidend für alle sozialen Gruppen war aber, dass 66% derjenigen, gegen die ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, junge Leute im Alter bis zu 25 Jahren waren. Von ihnen hatten rund 20% nicht einmal das 18. Lebensjahr erreicht.[30] Solche hohen Anteile von Arbeitern und Jugendlichen gab es auch im Zuständigkeitsbereich des Generalstaatsanwaltes. Dort waren 84 % der Verhafteten Arbeiter, während er 70 % in der Altersgruppe zwischen 16 und 30 Jahren auswies.[31]
Unter Berücksichtigung aller entsprechenden MfS-Analysen sowie der von der Forschung inzwischen zusammengetragenen Beschreibungen damaliger Protestakteure lassen sich über die eben genannten soziostrukturellen Merkmale der Protestakteure hinaus auch wichtige Aussagen über ihre soziokulturellen und politischen Eigenschaften treffen.[32] Nimmt man eine kleine, aber bisher nicht quantifizierte Gruppe von Arbeitern aus, die versuchten, in den Städten heimlich Flugblätter und vor allem Losungen wie „Dubček“ und „Svoboda“ zu verbreiten, so lassen sich die Proteste im Wesentlichen auf drei Typen zurück führen. Zum einen handelte es sich um kleine politisierte Gruppen der jungen Intelligenz, die u.a. für das Gros der verbreiteten Flugblätter verantwortlich war. Ihr politisches Profil bewegte sich zwischen „Dutschke und Dubček“, zwischen der Neuen Linken im Westen und dem von der SED so genannten neuen Revisionismus im Osten. Diese linke Politisierung wird auch an den Namen deutlich, die sich einige dieser Gruppen für ihre Protestaktion zugelegt hatten: Aktionskomitee Berlin der Schüler und Studenten, SDS-DDR, Thälmanngruppe, Bund der Gerechten oder Fortschrittlich-kommunistische Jugend.[33] Eine zweite Akteursgruppe beschimpfte oder provozierte spontan und offen, zum Teil alkoholisiert, Angehörige der Polizei und sonstige Angehörige der Staatsgewalt oder der sowjetischen Truppen. Bei ihnen handelte es sich recht eindeutig um jene subkulturellen und integrationsresistenten Teile der Arbeiterjugend, die von der SED als „Rowdys“ deklariert wurden, wie die „Angerluden“, von denen in Erfurt die Demonstration ausging.[34] Eine dritte Gruppe verband sich mit jenen mündlichen Protesten, als in den Betrieben und den ihnen angeschlossenen Berufsschulen (aber auch anderen Institutionen) die Lawine der Abpressung von Zustimmungserklärungen herabrollte und viele Arbeiter sich dagegen zur Wehr setzten.[35]
Zumindest für die ersten beiden Gruppen der Protestakteure kann eine enge Verzahnung mit der Subkultur des Beat als gegeben angenommen werden. Ob und in wie fern dies aber auch für die dritte Gruppe gilt muß vorerst offen bleiben. Auf Grund der Altersstruktur der Akteure ist jedoch auch bei dieser Gruppe sowie für den Kreis jener jungen Arbeiter, die erwischt wurden, als sie außerhalb ihrer Betriebe heimlich Losungen an die Häuser pinselten, zu vermuten, dass ihre politische Aufsässigkeit bereits auf einer vorpolitisch-kulturellen Renitenz gründete, die sich subkulturell artikulierte.
1968 und die DDR
Obgleich es keine Revolte gab, war das Jahr 1968 auch in der DDR ein Jahr außerordentlicher Proteste. Durch das staatliche Informationsmonopol äußerlich unscheinbar, war es zudem ein Schlüsseljahr für die weitere Entwicklung der DDR. Verschiedene Entwicklungstendenzen des gesellschaftlichen Konflikthandelns kreuzten sich in den Protesten dieses Jahres. Denn zum letzten Male vor dem Herbst 1989 nahm die Arbeiterschaft in traditionell-kollektivistischer Weise den Kampf um die Betriebsöffentlichkeit auf, während sich nach der Vernichtung oppositionell-politischer Milieus aller politischer Richtungen bis Anfang der 1950er Jahre nunmehr neue oppositionell-politische Milieus herauszubilden begannen. Die Unterdrückung der Proteste durch die SED, die Verhaftung der renitentesten Arbeiter sowie der massive Einsatz von „Agitatoren“ der Obrigkeit aus SED-Betriebsleitungen und Parteifunktionären an Brennpunkten der Diskussion in den Betrieben führten in der Folge zum generellen Rückzug der Arbeiter aus der Betriebsöffentichkeit.[36] Auf dieser politischen Voraussetzung baute dann die sozialpolitisch flankierte Pazifizierungsstrategie Honeckers seit 1971 auf und der Rückzug der Arbeiter aus kollektiv geführten Konfliktstrategien gegen den staatlichen „Patron“ wurde endgültig.[37] Nach den Panzern zur Unterdrückung des Arbeiteraufstandes vom Juni 1953, der ungarischen Arbeiterräte von 1956, den Panzern beim Mauerbau 1961 und den Panzern zur Unterdrückung des Prager Frühlings kamen mit Honeckers „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ nun auch die kleinen Freiheiten eines „peripheren Fordismus“ (Robert Boyer). Kleine Freiheiten für jene, die sich mit dem Regime arrangierten und auf die dereinst verheißene kollektive Selbstbestimmung verzichteten: die Freiheiten in der Nische wie die „Datsche“ oder „die Freiheit auf der Landstrasse“ bis zum Balaton.[38] Das Schweigen der Arbeiter in den Betrieben wurde nun endgültig und zum großen Schweigen der Bevölkerungsmehrheit für zwei Jahrzehnte.
Zugleich aber war die oppositionelle Politisierung von Teilen der jungen Generation in den Jahren 1967 und 1968 der Ausgangspunkt für die schrittweise Entstehung einer neuen Opposition aus den kritisch-marxistischen, oppositionell-christlichen und arbeiterlich-subkulturellen Jugendmilieus. Die dreifache Erfahrung mit erstens der Auflehnung der westlichen Jugend gegen deren herrschenden Verhältnisse wie zweitens der Möglichkeit eines Prager Frühlings im Osten sowie drittens mit dessen gewaltsamer Unterdrückung hat die Option eines Dritten Weges zum kulturellen Code der neuen Oppositionsbildung gemacht: Eine gesellschaftliche Entwicklung jenseits der Herrschaftsverhältnisse in Ost und West, radikal demokratisch, basisdemokratisch. Nach dem Ausfall traditioneller Arbeiterkämpfe als Reservoir der Oppositionsbildung seit 1968 und dem Ausfall der traditionellen Intelligenz nach den Protesten gegen die Biermann-Ausbürgerung zwischen 1976 und 1979 wurden bildungsbürgerliche Sektoren der evangelischen Kirche und die jugendlichen Subkulturen ihr wichtigstes Reservoir. Vor allem die aus jugendlichen Revolten immer wieder neu entstehenden Subkulturen blieben ein unerschöpfliches Reservoir der Oppositionsbildung.
[1] Vgl. Dietrich Mühlberg, Wann war 68 im Osten?, Neuveröffentlichung, in: Kulturation 1/2007, http://www.kulturation.de/t_text. 27.01.2008, S. 10-11.
[2] Vgl. vor allem: Stefan Wolle, Die DDR-Bevölkerung und der Prager Frühling, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), (1992) 36; Armin Mitter/Stefan Wolle, Untergang auf Raten. Unbekannte Kapitel der DDR-Geschichte, München 1993; Monika Tantzscher, Maßnahme „Donau“ und Einsatz „Genesung.“ Die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968/69 im Spiegel der MfS-Akten, Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Reihe B: Analysen und Berichte Nr. 1/1994; Falco Werkenthin, Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht, Berlin 1995; Erhart Neubert, Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989, Berlin 1997; Ilko-Sascha Kowalczuk, „Wer sich nicht in Gefahr begibt“. Protestaktionen gegen die Intervention in Prag 1968 und die Folgen von 1968 für die DDR, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, (1999), Heft 7/8, S. 424–437; Dorothee Wierling, Geboren im Jahr Eins. Der Jahrgang 1949 in der DDR. Versuch einer Kollektivbiographie, Berlin 2002; Marc-Dietrich Ohse, Jugend nach dem Mauerbau. Anpassung, Protest und Eigensinn (DDR 1961–1974) Berlin 2003; Bernd Eisenfeld, Hoffnungen, Widerstand, Resignation. Die Auswirkungen des „Prager Frühlings“ und seiner Zerstörung in der DDR, in: Deutschland Archiv 36 (2003), Heft 5; Erhart Neubert/Thomas Auerbach, „Es kann anders werden“. Opposition und Widerstand in Thüringen 1945-1989, Köln–Weimar–Wien 2005; Bernd Gehrke: 1968 – Das unscheinbare Schlüsseljahr der DDR, in: Bernd Gehrke/Gerd-Rainer Horn (Hrsg.): 1968 und die Arbeiter. Studien zum „proletarischen Mai“ in Europa, Hamburg 2007, S. 103–128; Stefan Wolle, Der Traum der Revolte. Die DDR 1968, Berlin 2008; Bernd Gehrke, Die 68er-Proteste in der DDR, in: APuZ (2008) 14–15.
[3] Vgl. Werkenthin, Strafjustiz (wie Fn. 2), S. 47–52.
[4] ebenda.
[5] Vgl. Kurt Braunreuther, Fred Oelsner und Werner Otto (Hrsg.), Soziologische Aspekte der Arbeitskräftebewegung. Internationales Kolloquium – Berlin, Juni 1966. Gesammelte Beiträge, Berlin 1967; zur Arbeiterjugend siehe den Beitrag von H. Michalis, S. 305–324.
[6] Zur Pop-Kultur der 1960er Jahre vgl. vor allem: Michael Rauhut, Beat in der Grauzone. DDR-Rock 1964–1972 – Politik und Alltag, Berlin 1993; Peter Wicke, Zur Kunst in der DDR: Die Entwicklung der Unterhaltungsmusik in der DDR (Rock, Jazz) und im Transformationsprozess, in: Materialien der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit“ (13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages), hrsg. vom Deutschen Bundestag, Baden-Baden 1999, Band IV/2, S. 1872–1895; Bye Bye, Lübben City. Bluesfreaks, Tramps und Hippies in der DDR, hrsg. von Michael Rauhut und Thomas Kochan, Berlin 2004.
[7] Vgl. Günter Agde (Hrsg.). Kahlschlag. Das 11. Plenum des ZK der SED 1965. Studien und Dokumente, 2.erw. Auflage, Berlin 1991.
[8] Vgl. Bernd Gehrke, Der Beataufstand am „Tag der Republik“ 1965, in: Horch und Guck. Historisch-literarische Zeitschrift des Bürgerkomitees „15. Januar“ e. V., (11. Jahrgang), Heft 37, 2002 (1), S. 33–36; Rauhut, Beat (wie Fn. 6), S. 137–139..
[9] Zur Bildung der Subkultur vgl. Rolf Schwendter, Theorie der Subkultur (Neuausgabe mit einem Nachwort, sieben Jahre später), Frankfurt a. M. 1981.
[10] Das belegen von mir geführte Interviews mit drei Dutzend Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Zu diesem Politisierungsprozess vgl. auch Gehrke, Proteste 1968 (wie Fn. 2).
[11] Vgl. MfS BV Potsdam, Abt. XX/2, Analyse zum Komplex „Springer“ vom 5. 7. 1968, in: Gustav Rust, In den Fängen der Stasi. Ein Kommunist maoistischer Prägung in der „DDR“. Eine Dokumentation anhand von Stasi-Akten, Berlin o.J., S. 27–28.
[12] Michael Hofmann, Die Leipziger Metallarbeiter. Etappen sozialer Erfahrungsgeschichte, in: Michael Vester/Michael Hofmann/Irene Zierke (Hrsg.), Soziale Milieus in
Ostdeutschland. Gesellschaftliche Strukturen zwischen Zerfall und Neubildung, Köln 1995, S. 172.
[13] Exemplarisch vgl. Ohse, Jugend (wie Fn. 2), S. 188.
[14] Zum Folgenden vgl. Karin Löffler, Die Zerstörung. Dokumente und Erinnerungen zum Fall der Universitätskirche Leipzig, Leipzig 1993; Erhart Neubert, Geschichte der
Opposition in der DDR 1949–1989, Berlin 1997, S. 177–181; Ulla Fix, Die Sprengung der Leipziger Universitätskirche 1968. Die Sprache der Texte und die Sprache der Bilder
eine kultursemiotische Studie. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik. Jg. XXXV. Heft 2, 2003. S. 75-100.
[15] Vgl. Neubert, Geschichte der Opposition (wie Fn. 2), S.182–183.
[16] Vgl. Eisenfeld, Hoffnungen (wie Fn. 2), besonders S. 792.
[17] Vgl. ZAIG, Hinweise für Kollegiumssitzungen – Dienstbesprechungen, Anfang Oktober 1968; BStU, ZA, ZAIG 4725, in: Tantzscher, Maßnahme (wie Fn. 2), S. 36.
[18] Zur Entwicklung der Verfolgungen vgl. Wolle, Traum (wie Fn. 2), v.a. S.160.
[19] Tantzscher, Maßnahme (wie Fn.2), S. 35.
[20] 21. August 1968, 3. Bericht des MdI über die mit Wirkung vom 21. August 1968, 00.00 Uhr, eingeleiteten Maßnahmen; SAPMO, ZPA, IV A 2/12/25, in: Tantzscher, Maßnahme (wie Fn.2), S. 96.
[21] Vgl. Einschätzung der HA IX zu den in Ermittlungsverfahren des MfS festgestellten Angriffen gegen die Hilfsmaßnahmen der fünf sozialistischen Bruderstaaten zur Sicherung der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung in der ČSSR, 27. November 1968, BStU, ZA, HA IX 1599, in Tantzscher, Maßnahme (wie Fn. 2), S. 126.
[22] ebenda, S. 128.
[23] Vgl. Wierling, Geboren (wie Fn.), S.309–313); Ohse, Jugend (wie Fn. 2), S. 206–209.
[24] Vgl. 13908 Parteiinf., LV DOS S-A, LPA Magdeburg, in: SklavenAufstand, (1998) Nr. 51, S. 21.
[25] Vgl. Michael Hofmann, „Solidarität mit Prag“. Arbeiterproteste 1968 in der DDR, in: Gehrke/Horn, 1968 und Arbeiter (wie Anm. 2), S. 97.
[26] Vgl. 13908 Parteiinf., (wie Fn. 12), S.21.
[27] Einschätzung der HA IX, in: Tantzscher, Maßnahme (wie Fn. 2 und 23), S.123.
[28] ebenda, S. 123-124.
[29] Berechnet nach: Einschätzung der HA IX, in: Tantzscher (wie Fn. 2 und 23). S. 122.
[30] Vgl. Einschätzung der HA IX, in: Tantzscher (wie Fn. 2 und 23), S. 127.
[31] Vgl. Falco Werkenthin, Recht und Justiz im SED-Staat, Bonn 1998, S. 53.
[32] Vgl. Gehrke, 68er-Proteste (wie Fn. 2).
[33] Vgl. BStU ZA JHS 21 785, Johannes Bernstein/Dieter Schaffer, Die staatsfeindlichen Gruppen Jugendlicher und junger Erwachsener und ihre vorbeugende Bekämpfung durch das MfS, Potsdam 1969, S. 21–22..
[34] Vgl. Wierling, Geboren (wie Fn.) S.309–313); Ohse, Jugend (wie Fn. 2) S. 206–209; Wolle, Traum (wie Fn.2) S. 164.
[35] Vgl. Gehrke, 68er-Proteste (wie Fn. 2).
[36] Vgl. Hofmann, Metallarbeiter (wie Fn.); S. 174–175; Gehrke, 1968 (wie Fn. 2), S. 112–113.
[37] Vgl. Renate Hürtgen, Zwischen Disziplinierung und Partizipation. Vertrauensleute des FDGB im DDR-Betrieb, Köln–Weimar–Wien 2005.
[38] Vgl. Gehrke, 1968 (wie Fn. 2), S. 120–128.
Quelle: Bernd Gehrke: Nix los im Staate DDR? Proteste der DDR-Bevölkerung im Jahre 1968; in: Anne Seeck (Hg.): Das Begehren anders zu sein.
Politische und kulturelle Dissidenz von 68 bis zum Scheitern der DDR, Münster 2012, S. 44 – 67.
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Losung: „Amis raus aus Vietnam, Russen raus aus der CSSR!“ Jugendprotest 1968 in Lübbenau/Spreewald;
https://www.jugendopposition.de/themen/145444/protestzug-durch-luebbenau